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08 December 2023

Deutschland: Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete

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Am 6. November wurde beim Treffen der Ministerpräsident*innen der Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz beschlossen, die sogenannte „Bezahlkarte“ für Asylbewerber*innen einzuführen. Hannover hat diese Initiative als erste deutsche Großstadt umgesetzt und am 8. Dezember die „SocialCard“ eingeführt. Weitere Bundesländer werden folgen.

Die Karte soll Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz digitalisieren, unter anderem, damit Schutzsuchende keine Überweisungen deutscher staatlicher Gelder an Freunde oder Verwandte ins Ausland vornehmen können. Anstelle von Bargeldauszahlungen durch Kommunen ist nun vorgesehen, dass Geflüchtete im Asylverfahren oder mit Duldungsstatus ihre Einkäufe mit einer speziellen Karte tätigen. Die Sozialbehörden planen, die Gelder regelmäßig auf diese Karten zu übertragen, indem sie das Guthaben direkt bei den zuständigen Banken einzahlen.

Die Einführung der Sozialkarte ist umstritten. Während vor allem die FDP auf eine zügige Einführung drängt, stellen etliche Experten den Erfolg und die beabsichtigte Abschreckungswirkung des Systems in Frage. So sagte etwa Niklas Harder, Integrationswissenschaftler des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), bei NDR Info, dass es sei gar nicht belegbar sei, dass Geld aus Sozialleistungen ins Ausland überwiesen werde: „Die Begründung scheint mir auf aufgebauschten Anekdoten zu beruhen. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, die sagen, das sei ein verbreitetes Phänomen.“ Thüringens Migrationsbeauftragte Mirjam Kruppa sieht zudem die Gefahr der Freiheitsbeschneidung der Geflüchteten: „Diese Form der Bezahlkarte stigmatisiert die Menschen und schränkt sie einschneidend und ungerechtfertigt in ihrer Lebensgestaltung ein“, kritisiert Kruppe.

Für Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) ist die Einführung der Karte hingegen ein positiver Schritt, mit der die Verwaltung entlastet, Kosten gesenkt und die Teilhabe der Migranten verbessert werden soll. Anders als in der bundespolitischen Debatte teilweise gefordert wird, sind mit der Karte in Hannover keine Auflagen verbunden. Die Empfänger können ihr Geld im In- wie auch im Ausland für das ausgeben, was sie wollen. Es sollen keine Kontrollen stattfinden und auch das Abheben von Bargeld soll möglich sein.

Zwar werden die Geflüchteten in Hannover nicht mehr Geld bekommen als zuvor, aber sie sollen nicht mehr Schlange stehen müssen, um von der Stadt sogenannte Verpflichtungsscheine zu erhalten. Mit diesen mussten sie bislang weiter zur Sparkasse, um dort Bargeld zu erhalten. Da die Karten so aussehen wie jede andere Bezahlkarte, ist der Flüchtlingsstatus der Nutzer beim Bezahlen auch nicht erkennbar, um Stigmatisierungen zu verhindern. Eine Kooperation mit dem Kartenanbieter Visa soll eine hohe Akzeptanz der Karte gewährleisten.

Bislang haben in einer Pilotphase der Stadt Hannover knapp 70 Asylbewerber*innen die Karte erhalten. Anspruchsberechtigt sind aktuell etwa 200 Menschen - darunter auch Sozialhilfe-Empfänger, die kein deutsches Konto haben. Perspektivisch könnte die Zahl der Nutzer auf 300 bis 400 steigen.

In Bezug auf die Bundesdebatte äußerte Hannovers Oberbürgermeister: „Ich halte die aktuelle Debatte über Beschränkungen der Karte und die Diskussion um Sachleistungen für falsch und nicht zielführend. Es geht hier um Menschen in Notsituationen, denen wir Teilhabe ermöglichen wollen." Und: Wenn eine bundeseinheitliche Vorgabe beschlossen werden sollte, dann müsse es nach Onay Spielräume für die Kommunen geben.

Entwickelt wurde die Sozialkarte von der Publk GmbH aus Bersenbrück bei Osnabrück. Gründer Joerg Schwitalla betont, die Beschäftigten in den Kommunen sollten aus seiner Sicht nicht Bankschalter spielen müssen, sondern die Integration voranbringen. Dafür könne die Sozialkarte Freiräume schaffen. Neben Hannover werde die Lösung seines Unternehmens bereits in einer kleineren Kommune verwendet, zwei weitere kämen im nächsten Jahr hinzu, und auch Leipzig wolle die Sozialkarte künftig einsetzen. Weitere Unternehmen bereiten momentan ebenfalls Bezahlkarten für Geflüchtete vor.

Details

Publication dates
Geographic area
Deutschland
Source
Posted by
Marie Bayat
Country Coordinator

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