Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 haben zahlreiche ukrainische Ärzt*innen in Deutschland Asyl gefunden und möchten hier arbeiten. Doch trotz des hohen Bedarfs im deutschen Gesundheitssystem warten viele von ihnen auf die Bearbeitung ihrer Approbationsanträge durch die deutschen Behörden.
Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Welt am Sonntag bei den zuständigen Ämtern aller Bundesländer. Demnach haben seit 2022 mindestens 1.674 geflüchtete ukrainische Ärzt*innen einen Antrag auf Approbation gestellt. Bislang wurden jedoch nur 187 dieser Anträge genehmigt, während 1.402 Anträge noch in Bearbeitung sind. Diese Daten stammen aus Rückmeldungen von 14 Bundesländern. Bremen und Hessen konnten nur unvollständige Informationen liefern.
Die Wartezeiten betreffen nicht nur ukrainische Ärzt*innen. Generell liegen zwischen der Antragstellung und der Bewilligung der Approbation für Mediziner*innen aus Nicht-EU-Ländern typischerweise zwischen 15 Monaten und drei Jahren.
Politische Debatte
Die Verantwortung für die langwierigen Anerkennungsverfahren wird unterschiedlich bewertet. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht ein generelles Problem im deutschen System. Er fordert weniger aufwendige Einzelfallprüfungen und stattdessen eine Zertifizierung der entsprechenden Studiengänge und Universitäten, um den Absolvent*innen schneller eine Arbeit zu ermöglichen.
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi sieht den Bundesgesundheitsminister in der Pflicht. Er appelliert an Karl Lauterbach, die Bundesärzteordnung und Approbationsordnung zu reformieren, sodass Anerkennungsverfahren digital, standardisiert und somit schneller ablaufen können. "Wir können es uns einfach nicht leisten, Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland bürokratische Steine in den Weg zu legen," so Philippi.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hingegen sieht die Verantwortung bei den Bundesländern. Die hohe Zahl der noch nicht bearbeiteten Anträge zeige, dass die aktuellen Verfahren "dysfunktional, viel zu umständlich und sehr bürokratisch durch die Bundesländer organisiert sind." Er betont, dass die medizinische Ausbildung in Ländern wie der Ukraine durchaus den EU-Standards entspreche.
Die Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG) in der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen, die die Gutachten für alle aktuell 24 bundesrechtlich geregelten Gesundheitsberufe erstellt, erklärt zu den Bearbeitungszeiten: „Die Erstellung von detaillierten Gutachten zur Gleichwertigkeit ärztlicher Qualifikationen kann aktuell mehrere Monate bis zu einem Jahr dauern. Dies liegt an dem sehr starken Anstieg der Antragszahlen, insbesondere aus der Türkei und der Ukraine, der mit dem vorhandenen Personal in der GfG nicht schneller bewältigt werden kann.“ Es seien im Auftrag der Gesundheitsminister-Konferenz bereits Maßnahmen ergriffen worden, um schnellere Behördenentscheidungen zu ermöglichen. Weiterhin führt die GfG an, dass es durch unvollständig eingereichte Unterlagen oder Nachreichungen von Dokumenten im laufenden Verfahren zu erheblichen Verzögerungen komme, was in der Verantwortung der Antragstellenden liege.
Maßnahmen und Hürden
Mit mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus dem Jahr 2023 ist beansichtigt, die Zuwanderung aus Drittstaaten zu erleichtern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Mit dem Anerkennungsgesetz soll die Arbeitsmarktintegration erleichtert werden, indem ausländische Qualifikationen besser als bisher anerkannt werden. Die Umsetzung verläuft jedoch schleppend, wie die aktuelle Diskussion um die Ärzt*innen exemplarisch zeigt. Die lange Wartezeit auf Sprachkurse und Hürden bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse führen dazu, dass ukrainische Geflüchtete in Deutschland nur schwer in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Details
- Publication dates
- Geographic area
- Deutschland
- Source
- Posted by